Anreise
Nach einer Nacht in Lebanon (Blogbeitrag zu Anreise & Boston) ging es am Donnerstag weiter nördlich nach Venice-en-Québec. Auf dem Weg dahin, machten wir einen Stopp im Quechee State Park, ein kleiner aber feiner Park, wo wir einen Spaziergang machten und anschliessend eine Runde Minigolf spielten. Während ich eines meiner besten Spiele auspackte, fehlte bei ihr die letzte Konzentration. Mit dem Sieg in der Tasche ging es zu einer der ersten Fabrik von Ben & Jerrys. Die Eismarke startete hier ihre Erfolgstory. Neben einer  Führung inklusive Tasting, versuchten wir neue Eissorten aus, die es bei uns in der Schweiz nicht gibt. Geschmacksrichtung Churros oder Marshmallow zum Beispiel. Speziell aber lecker. Weiter ging es über Burlington und dem Lake Champlain nach Venice en Quebec. Links Wald, rechts Wald. Die Autobahn sah oft gleich aus, wenn nicht mal wieder ein See zu sehen war. Diese Weite ist beindruckend. Unser Zielort befand sich bereits auf der kanadischen Seite direkt am Baie Missisquoi (See/Bucht). An der Grenze stellte uns der Grenzbeamte einige Fragen zu unserem Aufenthalt in Kanada und der USA. Unter anderem die Frage, wo wir wohnen würden, wobei ich etwas verwirrt nachfragte, ob in der Schweiz oder der Aufenthaltsort in Kanada gemeint wäre. Mit einem trockenen „I don’t know where you live“ liess er mich auflaufen. Dann ist die Antwort Schweiz, hauptsache schnell ein paar Fragen an die Wand hauen. Nach erfolgreichem Beantworten der restlichen Fragen, liess er uns ohne weitere Probleme einreisen. Nun, als ich mich eben an die Meilen und Gallonen gewöhnt habe, wechselt es wieder auf Kilometer pro Stunde und Liter. Angekommen in unserem idyllischen Hotel mit Seeblick, holten wir uns beim Take Away in der Nähe etwas zu Essen und genossen dieses auf unserer kleinen Terrasse. So endet ein weiterer Tag. Gefühlt sind wir schon mehrere Wochen da, dabei waren es erst sechs Tage unserer gesamten Reise. Ich kann abschalten, muss mich um nichts kümmern, kein Alltag, keine Gedanken an Zuhause, Kopf lüften und einfach geniessen. Die Augen klappen zu.

Tag 1
Am nächsten Morgen erreichten wir nach einer knappen Fahrstunde die Stadt Montréal. Das Wetter ist weiterhin prächtig, viel Sonnenschein und warme Temperaturen. Wettertechnisch können wir uns also bisher nicht beklagen. Nachdem wir unser Auto beim Hotel geparkt hatten, ging es mit der U-Bahn in die Stadt, da um 10 Uhr morgens (oder wie man hier sagt: 10 am) natürlich noch kein freies Zimmer verfügbar war. Wir kauften uns eine Einfachkarte, um am späteren Nachmittag eine 24h-Karte für die Metro zu kaufen und so Geld sparen können, weil wir lediglich eine bis zum Nachmittag des Folgetages brauchten. Ob es geklappt hat, erfährst du gegen Ende des Blogbeitrags. Zurück zur Metro. Durch die Chinatown ging es zur Notre-Dame Basilica of Montreal. Eine mächtige Kirche mitten in der Altstadt. Während ich mich an die Umrechnungskurse gewöhnt habe, vergass ich immer wieder, dass hier ja Französisch gesprochen wird. Wer mich kennt, weiss wie sehr ich diese Sprache liebe. Oder eben nicht. Französisch wird auch unser Mittagessen ausgesprochen. Poutine oder wie man rudimentär sagen kann: Pommes und Bratensauce. Ja, ich hab auch mein Gesicht verzogen, wie du wahrscheinlich auch. Pommes mit Bratensauce? Aber es schmeckt um Welten besser als es sich anhört oder ansehen lässt. Erstaunlich gut sogar. Poutine gibt es in verschiedenen Varianten und gehört zu den Nationalgerichten Kanadas. Während der Inhaber des Restaurants sich mit dem dritten schlechten Spruch über meine Grösse gerade das Trinkgeld halbiert hatte, ging es für uns mit vollem Magen in Richtung Mount Royal. Eine gute Stunde Fussweg, um dann noch unzählige Treppenstufen auf den Hausberg von Montréal zu nehmen. Es war warm, der Schweiss lief über das Gesicht und die Lunge arbeitete auch schon einmal besser. Oben angekommen war das alles jedoch wie verflogen. Eine brilliante Aussicht und eines der Highlights dieser Reise. Eine Aussicht über die ganze Skyline der Stadt. Schön tourististisch, aber schön. Als kleiner Spoiler vorne weg: das blieb das Highlight der ganzen Stadt. Durch den Park liefen wir dann noch einmal beinahe eine Stunde zum St.-Josephs-Oratorium, einr römisch-katholische Basilika. Statt einem Besuch der Kirche, standen wir lediglich vor einem Schild, auf welchem folgender Text zierte: „Closed due Graduation“. Schade war es. Ein langer Weg für ein paar Fotos von Aussen. Ich bin jedoch froh, ist meine Freundin auch so lauffreudig und möchte vieles zu Fuss machen. Ich finde, man sieht Vieles einer Stadt auch durch die kleinen Gassen, die gemütlichen Ecken und die typischen Strassen. In der U-Bahn siehst du tendenziell gar nichts. Daher bin ich meistens Team Fussmarsch, was nicht nur immer auf Freude meiner Mitreisender stösst. So wie es der Zufall jedoch will, ging es von da mit der U-Bahn weiter. Nach drei Stunden darf man sich da auch mal ausruhen. Dazu kommt, dass das nächste Ziel, der Jean Talon Market, zu weit entfernt gewesen wäre. Der Jean Talon Market befindet sich im Mile-Ex-Quartier und ist ein täglich geöffneter Bauernmarkt mit unzähligen frischen Waren. Hätte gerne mehr gekauft, aufgrund der fehlenden Küche im Hotel, hätte das nur bedingt Sinn gemacht. Oder wie wir auf der Arbeit sagen würden: Ganz dumm. Über das Plateau Mont-Royal (Park in der Stadt) ging es zurück in die Altstadt von Montréal, die uns übrigens gar nicht gefiel. Ein, zwei Strassen waren ganz nett und sehr belebt. Der Rest ist nicht inspiererend, lärmig, besitzt keine Einheitlichkeit und im Allgemeinen nichts, was ich nicht irgendwo sonst sehen könnte. Aber grundsätzlich gefiel uns diese Stadt (abzüglich des Ausblicks auf beim Mount Royal) eher weniger. Verglichen mit Boston war das doch um Welten weniger schön. Wie muss diese Stadt bei grauen Wolken und Regen sein? Ich will es nicht wissen. Mal schauen, was Toronto zu bieten hat. Doch vorerst stand ja noch ein Tag vor uns, auch wenn ich das Gesamtfeedback nun bereits vorweggenommen habe.

Tag 2
Am zweiten Tag in Montréal ging es am Morgen zuerst mit der der U-Bahn durch die ganze Stadt, um dann zu Fuss zur Librairie Saint-Henri Books zu gehen. Ein Buchladen, den die Freundin auf die To-Do-Liste gepackt hatte, jedoch ein absoluter Reinfall war. Ein kleiner Buchladen ohne viele Bücher ihres Genres. So ging es kurzerhand den beinahe gleichen Weg wieder zurück. Am Marché Atwater, einem Bauernmarkt und Markthalle zugleich, holten wir uns unser Mittagessen. Der Markt war äusserst belebt und entsprechend voll. Samstag eben. Mit der U-Bahn ging es dann vier Haltestellen ins Stadtzentrum, von wo wir an den Hafen der Stadt liefen und an der Promenade entlang schlenderten. Es gibt einen durchaus gut ausgebauten und schönen Spazierweg, der am Ufer entlang geht. Auch als nächstes ging es mit der U-Bahn unter dem Wasser hindurch auf die Insel Sainte-Hélène, wo wir den Parc Jean-Drapeau und dessen Aussicht auf die Skyline der Stadt genossen. Aufgrund eines Festivals/Festes und entsprechend abgesperrten Bereichen, konnten wir nicht wie erwartet durch den Park laufen. So mussten wir aussen herum, was etwas mehr Zeit beanspruchte, aber nicht weniger schön war. Über die grosse Jacques-Cartier-Brücke, von wo man ebenfalls einen super Blick auf die Hochhäuserskyline der Stadt hat. Wer Zeit hat, sollte diese Brücke unbedingt zu Fuss passieren. Ist schon noch einmal eindrücklicher, als wenn man sie mit dem Auto passiert. Mit grossen Schritten näherten wir uns der U-Bahn-Haltestelle Papineau. Magst du dich an die Geschichte zu Beginn des Beitrags erinnern, wo es darum ging, ob sich die 24h-Karte lohnen würde. Ich konnte mich lediglich erinnern, dass wir 15:54 auf dem Bahnsteig standen, meine Uhr zeigte 15:49, als das Gebäude von Weitem in mein Sichtfeld gelang. Ich wollte zwingend noch einmal die letzte Fahrt dank der 24h-Karte kostenlos fahren. Die Sekunden verflogen, vor allem, weil wir nicht wussten, wann genau wir die entsprechende Karte gekauft haben. Meine Freundin hat ihre ausserdem eine Minute vor meiner gekauft. Diese Minute könnte entscheidend sein. Um 15:52 passiere ich die Schranken zur U-Bahn-Station. Es leuchtet grün auf, Glück gehabt. Meine Freundin hinterher. Karte auf das Lesegerät, ebenfalls Grün. Ein Minutenkrimi. Vielleicht sogar Sekundenkrimi, man weiss es nicht genau. Völlig erschöpft aufgrund des langen und gegen Ende schnellen Laufens setzten wir uns in die U-Bahn. Zum Schluss des Sightseeing-Tages schauten wir uns noch das Olympiastadion von aussen an. Eigentlich wollten wir noch durch den botanischen Garten schlendern. Da dieser zu unsere Verwunderung jedoch 24 Kanadische Dollar Eintritt verlangte, liessen wir es sein und begaben uns zu unserem Hotel. Am Abend Stand noch das Fussballspiel zwischen dem CF Montréal und Real Salt Lake im nebenanliegenden Stade Saputo statt. Ich konnte die Flutlichtmasten aus unserem Hotelzimmer sehen. Das Ligaspiel der Major League Soccer endet trotz überraschend stimmungsvollen Erlebnis enttäuschend mit 0:0. Während man am Spiel noch einen alten Bekannten aus Stuttgart traf, tütete man den 60. Länderpunkt ein. In sechzig Ländern hat man nun mindestens ein Fussballspiel gesehen. Eine beindruckende Zahl, die mich immer wieder verblüfft. Meine Liebe zum Fussball hat mich weit in die Welt hinaus getragen. Oder manchmal auch andersherum, die Liebe zum Reisen in die weite Fussballwelt. Mit dem Sonnenuntergang über dem Stade Saputo in Montréal endete der Tag. Eine kleine Anekdote aus den letzten sieben Tagen habe ich jedoch noch. In Boston (USA) werden aktuell die NBA-Finalspiele ausgetragen. Mit dabei ist ebenfalls Kristaps Porzingis, ein lettischer NBA-Spieler der Boston Celtics. Bereits zum wiederholten Mal wurde ich mit dem verwechselt oder zumindest gefragt, ob ich wisse, dass ich dem ähnlich sehe. Ebenfalls Basketball spielende Kinder, welche mich mit dem Idol-Blick ansahen, wie ich früher meine Lieblingsfussballspieler angesehen habe. Die ersten Male habe ich einfach genickt und gelacht. Ich kannte den Spieler ja nicht. Nachdem in Montréal beim Kauf eines Magnets für unseren Kühlschrank jedoch der Käufer mir ein gegoogeltes Foto des Spielers auf seinem Handy entgegenstreckte, realisierte ich erst, dass der ja wirklich sehr bekannt ist und die Ähnlichkeit auf den ersten Blick durchaus gerechtfertig ist. Mit 1.6 Millionen Follower auf Instagram kann ich jedoch nicht ganz mithalten. Manchmal schreibt meine Grösse aber witzige Geschichten. So endet auch diese, auch wenn ich am Ende des Tages kein NBA-Spieler bin.

Das war es nun von Montréal, nun ging es weiter in den Westen, wo wir Toronto ansteuern. Dazwischen haben wir jedoch noch ein paar Tage. Nachdem wir Montréal verlassen hatten, gab es nach gut zwei Stunden einen Halt in Brockville. Einerseits zur Stärkung des Körpers durch Zunahme eines Mittagessens bei einem Foodstand, andererseits für den Besuch des Brockville Railaway Tunnels. Dieser Tunnel war der erste in Kanada gebaute Eisenbahntunnel überhaupt. Im Jahre 1860 fuhr erstmals ein Zug durch den etwas mehr als einen halben Kilometer langen Gütertunnel. Er diente vor allem primär, um für den Holzhandel eine Verbindung von der Schiffsroute zum Ottawa Valley zu schaffen. Heute ist es eine kostenlose Touristenattraktion mit Licht- und Musikeffekten. Sehr gelungen umgesetzt. Nachdem wir uns am nahen Flussufer die Beine vertreten haben, fuhren wir das letzte Stück nach Gananoque, wo wir den Nachmittag und den Abend gemütlich im Hotel und der Umgebung verbrachten. Bei so viel Programm, müssen auch einmal paar Stunden Ruhe Platz haben, auch wenn ich diesbezüglich noch nie gut war. Bei mir muss immer viel laufen, manchmal steigt die Tendenz, dass Ruhephasen zu kurz kommen. Also, Ruhe jetzt.